Richtig: Die Wiener Straße hätte es alleine nicht gebracht. Aber genau deshalb greift das Ganze nur als Ganzes. Einzelne Strecken wie z.B. Reform würden es auch alleine bringen, andere aber nicht, deshalb darf man das jetzt nicht aufschnüren. Ich habe gerade meinen Leserbrief an die Vst. abgeschickt, da ich aber nicht sicher bin, daß die ihn bringen oder nur teilweise (weil er der SPD-lastigen Vst. ja widerspricht), stelle ich ihn Euch hier zur Verfügung:
------
Die Änderungsanträge der SPD und anderer Fraktionen sowie der Vorschlag des Lesers Dr. Sander sehen zwar auf den ersten Blick ganz interessant aus, gehen aber an den momentanen Realitäten weit vorbei. Das Anliegen der bislang geplanten Strecke ins Neustädter Feld besteht ja gerade darin, ein großes Wohngebiet am Rande der Stadt optimal mit der Innenstadt zu verbinden und einen Verkehrsträgerwechsel vom Bus zur Straßenbahn zu ermöglichen, um den ÖPNV in der Stadt wirtschaftlicher zu betreiben und neue Fahrgastpotentilale zu erschließen, kurz gesagt, damit zukunftssicher zu machen. Die im Gesamtkonzept "2. Nord-Süd-Verbindung der Straßenbahn" konzipierte Streckenführung bringt für die Bewohner des Neustädter Feldes und später des Kannenstiegs (die Strecke soll ja nicht für immer am Hermann-Bruse-Platz enden) eine Fahrzeitersparnis in Richtung Innenstadt von mindestens sechs Minuten, außerdem entfällt das Umsteigen. Die Buslinie 69 kann ersetzt werden, der Parallelverkehr bis zum Bahnhof Neustadt kann entfallen, die Lübecker und Lüneburger Straße würden entlastet. Bei einer Führung der Strecke durch die Ebendorfer Straße würde die Fahrzeitersparnis komplett aufgefressen und die Strecke durch die Ernst-Reuter-Allee noch mehr belastet. Der Vorschlag der SPD, die Straßenbahn durch die Schillerstraße zu führen, kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. Fragen Sie mal dort die Anwohner, die würden Barrikaden aufstellen. Die Situation ist mit der kurzen Planckstraße überhaupt nicht vergleichbar.
Die heraufbeschworenen Probleme im Zuge der B1 sind alle lösbar, so daß dort Grundstücke so wenig wie möglich betroffen sind. Der Querschnitt der B1 läßt z.B. eine moderate Verschiebung der Straße in nördlicher Richtung durchaus zu, wie er auch von der Linken und B90/Grüne angeregt wird.
Ein weiteres wichtige Argument, das in der ganzen Diskussion bisher viel zu wenig Beachtung fand, aber nicht ganz unwichtig ist, ist z.B. die Tatsache, daß für das gesamte Projekt der 2. Nord-Süd-Verbindung im Rahmen der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Standardisierten Bewertung (um Fördermittel erlangen zu können) die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen wurde, auch unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung. Würde man einzelne Streckenabschnitte verändern, hätte diese Bewertung keinen Bestand mehr, sondern müßte neu erfolgen. Das würde zum einen das ganze Projekt gefährden, andererseits eine erhebliche Zeitverzögerung nach sich ziehen, was höchstwahrscheinlich den Wegfall der Förderung bedeuten würde, da die Förderprogramme des Bundes für den ÖPNV in den nächsten Jahren stark gekürzt werden bzw. 2020 auslaufen.
Was die Anbindung des Einkaufszentrums Floraparks und andere Ideen zu Straßenbahnstrecken betrifft, hätte ein Blick in das Integrierte Stadtentwicklungskonzept 2025 genügt. Dort ist z.B. die Anbindung des Floraparks über die vorhandene Strecke an der Ebendorfer Chaussee als Optionsstrecke bereits verzeichnet. Auch eine Entlastung für den Nordabschnitt des Breiten Weges z.B. durch die Jakobstraße ist noch nicht ganz aus der Welt.
Von den Anwohnern der zukünftigen Strecken werden (das war schon in der Wiener Straße so) oft noch zwei andere vermeintliche Argumente vorgebracht, um Straßenbahn-Neubaustrecken zu verhindern: a) die Busse seien ja jetzt schon so leer und b) die Grundstücke an der Strecke würden erheblich an Wert einbüßen. Beide Karten stechen nicht. Werden Buslinien durch Straßenbahnlinien ersetzt, wird in Deutschland im Schnitt immer ein dreifach höheres Fahrgastaufkommen generiert (einzelne Strecken haben bis zu 20 mal mehr Fahrgäste erzeugt), weil eben die Straßenbahn im Fahrverhalten weitaus komfortabler als der Bus ist und weil Umsteigezwänge wegfallen. Dem Umweltgedanken kann damit weitaus besser entsprochen werden und Umsteiger vom Pkw auf den ÖPNV können gewonnen werden. Was den Wert der Grundstücke betrifft, tritt genau das Gegenteil ein. Bislang ist der Wert immer gestiegen, wenn eine gute Verkehrsanbindung durch Straßenbahnen gegeben ist. Das werden Immobilienfachleute bestätigen.
Man kann nur hoffen, daß sich die Vernunft unter den Stadträten durchsetzt und die Vorlage von MVB bzw. Verwaltung mit der bisherigen Streckenführung ins Neustädter Feld zügig beschlossen wird, damit mit der eigentlichen Planung für diesen Bauabschnitt begonnen werden kann.